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Presseerklärung

Thomas Zipp & Andi Fischer: „Advanced Trip Inc.”

Ausstellung im nw9
11. November 2022 - 31. März 2023

Neue Weyerstrasse 9
50676 Köln

 

Der Kölner Projektraum nw9.space freut sich, die Doppelausstellung Advanced Trip Inc. mit den in Berlin lebenden Künstlern Thomas Zipp (*1966 in Heppenheim) und Andi Fischer (*1987 in Nürnberg) zu präsentieren. Beide Künstler zeigen neue, eigens für die Schau entstandene Arbeiten.

Im Zentrum der künstlerischen Praxis von Thomas Zipp steht der Mensch in seinen Bezügen – verbunden mit der Frage, was er körperlich und kulturell braucht, um sich so gut wie möglich im Leben zu entfalten. Kunst und Wissenschaft, die unser Zeitalter lange akribisch getrennt gehalten hat, verknüpft Zipp in seiner Arbeit von Anfang an. Dabei geht er jedoch nicht systematisch-analytisch vor, sondern betreibt auf fantasievolle, assoziative Weise so etwas wie eine ureigene Kulturwissenschaft, die von Medizin, Physik, Pharmazie und Psychologie über Musik und Kunst bis hin zu Spiritualität und Drogenkunde reicht, inspiriert von Parallelströmungen und Parawissenschaften. Zipps Motive und Figuren tauchen wiederholt in unterschiedlichen Zusammenhängen auf, eingebettet in Malerei, Zeichnung, Skulptur, Installation, Video und Performance. Von all seinen Arbeiten geht ein dunkler, rätselhafter Sound aus – verstärkt durch Gesichter von Personen und Puppen, die in seinem Kosmos für bestimmte Fragen und Zwiespälte stehen, für Experimente, Chancen und Fehler – und für die damit verbundenen Utopien, die erdacht wurden, um unsere Welt zu verbessern, und die doch immer wieder scheiterten.

Für die Ausstellung bei nw9.space hat Zipp eine neue Version seiner Installation World Chancellor Office aus dem Jahr 2004 entworfen. Die Arbeit von damals zeigte eine Weltkarte, wie üblich mit London im Zentrum, auf der Zipp verschiedene Events als Visionen für die nächsten zwanzig Jahre eingetragen hat. Bei der neuen Karte hat er den Mittelpunkt verschoben: Die Inselstaaten Samoa und Kiribati im zentralen Pazifik bilden nun die Mitte, während London und Europa sich ganz links befinden und Amerika auf der rechten Seite liegt. Auch hier schaut Zipp in die Zukunft – die neue Karte verweist auf fiktive Ereignisse in den nächsten 25 Jahren. Wohin geht die Reise? fragt der Künstler, der dieser Installation auch eine seiner Skulpturen in Pillenform zur Seite stellt: Die Pille als Trip, als Reise nach innen, ist eine wiederkehrende Metapher in seinem Werk. Hier greifen nun Mikro- und Makrokosmos, Innenschau und Weltreise ineinander. Dadurch, dass der Ausstellungsraum früher ein Reisebüro war, schließt sich der Kreis – und der Titel Advanced Trip Inc. bekommt eine Doppelbödigkeit, die Andi Fischer auf eine weitere Ebene hebt.

Andi Fischer bearbeitet Leinwände, Papier und Fotografien mit bunt gekritzelten Malereien. Im ersten Moment wirken sie wie beiläufige Skizzen oder naive Kinderzeichnungen von Tieren, Menschen, Pflanzen oder Fantasiewesen, womit man sie voreilig der sogenannten Outsider Art zuordnen könnte. Doch beim genaueren Hinschauen wird klar, dass die Figuren und Zeichen sich im Konflikt mit der Welt und mit ihrer eigenen Rolle darin befinden. Was so harmlos wirkt, hat einen düsteren Unterton.

Die Arbeiten, die Fischer bei nw9.space zeigt, sind im letzten Sommer entstanden. Der Künstler tourte von Küste zu Küste durch die USA und machte Aufnahmen von desolaten Orten im Mittleren Westen des Landes – Waldstücke, Wüsten, Straßen und Gebäude – deren Verlassenheit ebenso spürbar ist wie die Brutalität, mit der hier früher einmal Land erobert und nutzbar gemacht wurde. Leere, teils mit anonymer Nutzarchitektur bebaute Landschaften wirken für Fischer wie der Mars, der derzeit im Visier der Superreichen steht, um dort einen ähnlichen Imperialismus zu betreiben wie einst die Einwanderer aus Europa in Amerika. Fischer kollagiert seine Fotografien mit Zeichnungen von Bäumen, Sonnen oder Häusern, die ein Gefühl von Einsamkeit und Orientierungslosigkeit vermitteln aber auch etwas Wirres, Wütendes und Verzweifeltes ausstrahlen: Sinnbilder, die sich gegen die Unterwerfung von Land und Landschaft als sich ständig wiederholender Machtgestus des modernen Menschen richten.

Es ist diese Haltung, die Zipp und Fischer teilen: Sie nehmen die Welt als vom Menschen gestalteten Ort wahr, den dieser schrittweise unterminiert – und der doch sein nährendes und kreatives Potential noch nicht ausgeschöpft hat. Beide Künstler eröffnen alternative Denkräume, die an dieses Potential rühren. Die Reise der Erde ist noch nicht zu Ende. Doch wie lange der Mensch als Passagier noch mitfährt, liegt ausschließlich an ihm.

 

Text: Gesine Borcherdt, Kunstkritikerin und Kuratorin

 
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